1967, der Vietnamkrieg wird noch weitere acht Jahre wüten. In New York feiert ein Musical Premiere, dass die Antikriegsgefühle der "Blumenkinder" auf die Bühne bringt - HAIR.
Irgendwann als kleiner Junge habe ich dieses Musical selbst live in der Augsburger Kongresshalle gesehen und seither geliebt. Seit es mir endlich einmal gelungen war, die Verfilmung von 1979 spätnachts auf Arte aufzunehmen, war ich endgültig ein Fan...
Und nun, zum 40 jährigen Jubiläum, kehrte Hair zurück ins Public Theatre in New York, wo es damals Premiere feierte, bevor es nach ein paar Wochen an den Broadway zog. Das "Problem": Die Karten waren gratis. Wie schon bei Shakespeare in the Park, muss man einigermaßen zeitig kommen, um um 13 Uhr, wenn der Ticketschalter öffnet, ein paar Karten zu ergattern. "Einigermaßen zeitig" war bei Shakespeare in the Park so zwei bis drei Stunden vorher - bei HAIR kamen die ersten um 11 Uhr in der Nacht davor. Als ich am Samstag um 10 Uhr kam, hatte ich keine Chance mehr. Selbst drängeln war bei der unglaublichen Anstelldisziplin der Amerikaner absolut unmöglich.
Also bin ich in einem letzten verzweifelten Versuch einfach am Montag Abend (der letzte Tag der nur drei Vorstellungen) zum Theater gegangen und habe jeden angequatscht, der aussah, als würde seine Verabredung nicht kommen. Mein Mut schwand mehr und mehr, als ich letztlich tatsächlich jemand fand, der vergeblich wartete. Nach einer Viertelstunde Bangen, ob sie nicht doch noch kommt, nahm er mich mit rein... für lau! Die Tickets wurden in der Craigslist (ein sehr populärer US Kleinanzeigenmarkt) schon für 150$ gehandelt.
Ich konnte mein Glück kaum fassen (danke auch an Martina, die mir die Möglichkeit großzügig eingeräumt hat :-) ). Das Keyboard spielte Galt McDermot höchstpersönlich, der Komponist von HAIR.
Ohne das Musical zu modernisieren, ohne einen eindeutig mit der Nase auf heutige Parallelen zu stoßen - Hair lebt und funktioniert auch jetzt! Die Crew war mit aktuellen Broadway Stars besetzt, so war zum Beispiel Jonathan Groff in der Hauptrolle als Claude, der gerade im gefeierten "Spring Awakening" jede Menge Preise einheimst. Karen Olivio (aus "Brooklyn Heights") war Sheila. Diese sehr junge Truppe passte genial, ich war den ganzen Abend total begeistert und musste mich sehr beherrschen, nicht allzu laut mitzusingen. Ich war aber nicht der Einzige! Gegen Ende gab es dann ohnehin kein Halten mehr. Alle sind aufgesprungen, habe getanzt und lauthals "Let the sun shine" geträllert, während auch noch zahlreiche Originaldarsteller von 1967 die Bühne betraten. So zum Beispiel James Rado selbst, damals Claude Bukowski und Autor von HAIR.
Als ich später die begeisterten Kritiken in diversen Foren gelesen habe, fühlte ich mich richtig schlecht für die Armen, die um 7.30 Uhr morgens anstanden um dann um halb zwei doch keine Karten mehr zu bekommen. Dennoch möchte ich dieses Ereignis nicht missen. Für mich war es, wie ein Stück Geschichte mitzuerleben. Für zahlreiche Althippies im Publikum gilt das wohl noch mehr ;-) Aber wie meinte es Ken, mein Gönner des Abends: "The ticket simply had your name on it".
Am Ende genoss ich noch ein wenig die Stimmung im Central Park vor dem Theater. Als sich dann sogar die Darsteller und James Rado selbst unters Volk gemischt haben, konnte ich mir ein paar Erinnerungsfotos natürlich nicht verkneifen. Ich habe ein Foto mit dem Autor von HAIR Arm in Arm... absolutes Celebrity Highlight meines New York Aufenthalts. Sie ist zwar auch gerade hier und ein paar Kolping Kollegen über den Weg gelaufen, aber hey, wer ist eigentlich Paris Hilton?